Handwerker ohne Grenzen

Tandem-Einsatz: Edelmetall-Verarbeitung und -Veredelung/ Innungssystem

Anna-Lina Puna in Gammarth, Tunesien

Das Projekt in Kürze

Das Projekt ReONA

  •  Projektart: Kammer- und Verbandspartnerschaften (KVP) 
  • Projektziel: Handwerksbetriebe der Regionen Béja und Manouba zusammenzubringen und sie in ihrer Selbstorganisation sowie der Bildung von Unternehmergruppen (Nuklei) zu unterstützen. Zur Verbesserung der praktischen Fähigkeiten sowie zum Netzwerken organisierte ReONA eine Fortbildung für Goldschmiede im Ausbildungszentrum Gammarth.
  • Einsatzort: Gammarth, Tunesien
  • Einsatzzeit: Juni 2024
  • Kurzzeit-Experte: Anna-Lina Puna
  • Tandem-Partner: Kurt Soucek 
  • Europäischer Projektpartner: Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main
  • Lokaler Projektpartner: Office National de l’Artisanat Tunisien (ONAT)

Goldschmiedekunst in Tunesien

Die politische Lage in Tunesien ist seit der Revolution vom 14. Januar 2011 unruhig. Es gab mehrere Regierungswechsel, bis 2019 Kais Saied zum Staatspräsidenten gewählt wurde. Seitdem er das Parlament aufgelöst hat, liegt nahezu alle Macht in seinen Händen. Dadurch wird so gut wie alles vom Staat kontrolliert.

Dies betrifft auch die Rohmaterialien und führt dazu, dass die Goldschmied*innen nur begrenzt Edelmetall einkaufen können. Ausreichend Schmuck herstellen zu können wird schwierig. Darüber hinaus müssen alle gefertigten Schmuckstücke zum zuständigen Stempelamt gebracht werden, um dort registriert und mit dem Staatsstempel versehen zu werden. Dies ist ein hoher bürokratischer Aufwand und zeitaufwendig, welcher die Kundenzufriedenheit stark beeinflussen kann.

Office National de l’Artisanat Tunisien

Die ONAT unterliegt dem Ministerium für Tourismus und Handwerk und ist mit der Umsetzung der staatlichen Strategie zum Schutz und zur Entwicklung des tunesischen Kunsthandwerks beauftragt.

Umsetzung vor Ort und Ergebnisse

Angefangen haben wir – mein Tandempartner Kurt Soucek und ich – mit der praktischen Schulung über die Sandgusstechnik. Bei dieser Herstellungstechnik können mit einfachen Gerätschaften Schmuckstücke in der eigenen Werkstatt gegossen werden. Hierfür haben wir Wachsmodelle gefertigt und diese dann in 925er Sterling Silber gegossen. Zudem ist es möglich, Schmuckstücke zu duplizieren und somit auch Herstellungskosten und Arbeitszeit einzusparen.

Anschließend wurden die Schmuckstücke vergoldet oder rhodiniert. Hierbei wird das Schmuckstück mit einer dünnen Schicht Gold oder Rhodium überzogen, welches den Zweck hat, z.B. Silberschmuck vor dem Anlaufen zu schützen oder auch zweifarbige Schmuckstücke herzustellen, ohne die hohen Kosten von Gold aufbringen zu müssen.

Am letzten Tag haben Kurt und ich das deutsche Innungssystem vorgestellt, als Beispiel wie die Zusammenarbeit unter Kollegen zielführend und hilfreich sein kann. Da das Konkurrenzdenken in Tunesien stark ausgeprägt ist, war dieses Thema ein roter Faden während unseres Einsatzes. Wir konnten dabei authentisch über unsere eigene Erfahrung berichten: wir sind beide in derselben Region selbstständig. Anstatt einander als Konkurrenten anzusehen, arbeiten wir seit mehreren Jahren zusammen und sind zudem aktiv in der Innung.

Auch in der Schulung haben wir uns bestens ergänzt: mit unterschiedlichen Sprachkenntnissen und Kernkompetenzen – ganz nach dem Motto: gemeinsam sind wir stark!

Was bringen Vorort-Handwerker-Einsätze?

  • Basis: Kooperation auf Augenhöhe mit einer lokalen Partnerorganisation, die bei der Identifikation von Bedarfen der lokalen Handwerker*innen und bei der Organisation der Handwerker-Schulungen unterstützt.
  • Ziel: Die technischen und unternehmerischen Fähigkeiten der lokalen Handwerkerinnen und Handwerker und Betriebe zu stärken.

"Craftspeople without Borders" ist ein europäisches Netzwerk von Handwerksorganisationen, die zum einen Handwerkerinnen und Handwerker für Einsätze in der internationalen Zusammenarbeit fortbilden und zum anderen diese Expertinnen und Experten an andere Projekte vermitteln.

Persönliches Fazit

Es hat mir viel Freude bereitet, mein Wissen weiterzugeben und ich freue mich auf weitere Einsätze.

Anna-Lina Puna, Juni 2024

Rückblickend konnten wir meines Erachtens die erwartete praxisbezogene Schulung gut umsetzen. Das Thema Sandguss wurde anhand der 4-Stufen-Methode praxisnah beigebracht und durch viel Üben gefestigt. Auch die Wichtigkeit der Zusammenarbeit der einzelnen Betriebe konnte durch das Vorstellen des Innungssystems nachhaltig dargelegt werden.

Die Zusammenarbeit mit den lokalen Projektpartner*innen hat menschlich gut funktioniert, allerdings wäre es für die Zukunft wichtig an der zeitnahen Kommunikation zu arbeiten.